Auralisation („Hörbarmachung“ von lat. auris = dt. 'Ohr' = aurikular) ist ein Verfahren, das unter Verwendung von Simulation von Spiegelschallquellen, Raytracing und der Errechnung des Diffusschalls eine Hörbarmachung eines Raumes unter Berücksichtigung seiner geometrischen und akustischen Eigenschaften ermöglicht. Auch das Wort Auralisierung wird manchmal dafür benutzt.
Seit dem Anfang der 1950er Jahre sind im Akustikbau so genannte Modellmessverfahren übliche Praxis. Dabei wird an einem aus Holz, Gips und Plexiglas gefertigtem Modell, meistens im Maßstab 1:20, die akustische Situation des geplanten Raums gemessen. Dieses Verfahren stellt jedoch einen enormen zeitlichen und auch finanziellen Aufwand dar.
Die Auralisation wurde Ende der 1960er Jahre entwickelt und brachte etliche Vorteile gegenüber den Modellmessverfahren.
Die Auralisationsverfahren erfuhren in den letzten zehn Jahren eine starke Weiterentwicklung, die unmittelbar an die immer höheren Rechenleistungen moderner Computer gekoppelt ist.
Auralisation gibt dem Akustiker neue Möglichkeiten, in der Planungsphase genaue Rückschlüsse über die Auswirkungen seiner Maßnahmen zu ziehen und diese auch durch ein subjektives Anhören zu beurteilen. Eine andere, nicht zu unterschätzende Anwendung der Auralisation ist ihre Nutzung zur Präsentation der akustischen Planung. Ähnlich wie ein dreidimensionales, virtuell begehbares Raummodell es dem Architekten ermöglicht, seinen Kunden die geplanten Räumlichkeiten vorzustellen, hat der Akustiker mit Hilfe der Auralisation nun eine gleichwertige Präsentationsmöglichkeit. Er kann den Kunden hören lassen wie seine Räumlichkeiten klingen werden, und ihm auf diese Weise unmissverständlich den Nutzen seiner Maßnahmen vorführen. Mit konventionellen Mitteln hingegen ist es um vieles komplizierter, einem akustischen Laien klarzumachen, wie wichtig die Planung des Klanges in einem Raum ist.
Wechselwirkungen von Schallquelle (Menge, Position, Abstrahlcharakteristik, Amplituden usw.) und Raumakustik können gegeinander getestet und die Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erstellung einer Beschallungsanlage herangezogen werden.
In der Bauakustik dienen Auralisationsprogramme vor allem zur Bewertung von Schallschutzeigenschaften von Bauteilen. So können die Absorptionsgrade und das akustische Verhalten von Schallschutztüren oder Fenstern anhand von virtuellen Modellen getestet werden.
Die Auralisation dient zur Bewertung des Einflusses von Umgebungslärm, wie etwa der Lärm von Straßen, Eisenbahnen, Flugverkehr usw.
Die Auralisation ist ein Werkzeug zur Bewertung von akustischen Maßnahmen beim Fahrzeugbau, sowohl bezogen auf die Situation in der Fahrgastzelle, als auch auf die Dämmung des Innenraumes.
Die wohl exotischste „Anwendung” der Auralisation, der Faltungshall, ist aus einer tontechnischen Motivation entstanden. Prinzipiell aber funktionieren diese Programme, wie zum Beispiel Emagic’s Space Designer, auf demselben Prinzip wie Auralisationsprogramme: auf der Faltung von Audiomaterial mit einer Raumimpulsantwort. Eines der ältesten Faltungshallplugins ist der Acoustic Modeler (DirectX), der seit 1997 auf dem Markt ist.
Das Prinzip der Auralisation lässt sich wie folgt beschreiben:
Bei der Eingabe müssen Informationen über folgende entscheidende Faktoren berücksichtigt werden:
Diese Eingabe kann bei den meisten Programmen sowohl in einem Texteditor als auch in einem Grafikeditor erfolgen.
Der erste Arbeitsschritt ist die geometrische Eingabe des Raumes. Es müssen sämtliche Punkte des Raumes in einem Koordinatensystem definiert werden.
Anschließend definiert man alle Begrenzungsflächen über ihre Eckpunkte. Diesen Flächen werden dann akustische Eigenschaften zugeordnet, d. h. ihre Absorptionsgrade in Terz- oder Oktavbändern.
Schließlich werden noch die Position und die Art der Schallquelle bzw. des Empfängers eingegeben.
Im zweiten Schritt wird vom Programm unter Verwendung von drei wesentlichen Verfahren eine synthetische Raumimpulsantwort berechnet:
Bei der Spiegelschallquellenmethode werden die Positionen der Spiegelschallquellen „hinter“ den Begrenzungsflächen ermittelt, die dann alle gleichzeitig einen Impuls aussenden. In Abhängigkeit
von der Entfernung zum Empfänger und den Absorptionsgraden der Flächen können so die Early Reflections errechnet werden.
Dieses Verfahren beschränkt sich jedoch fast ausschließlich auf quaderförmige Räume.
Beim Raytracing wird von der Schallquelle eine große Anzahl von Strahlen (10.000 bis 80.000 pro Oktave) ausgesendet und deren Weg bis zum Eintreffen beim Empfänger verfolgt. Raytracing kann Aufschluss über die Hallfahne eines Raumes geben, beziehungsweise das Reflektogramm vervollständigen. Es ist jedoch nicht für eine Echtzeitauralisation geeignet, da es mit einem Rechenaufwand, der im Bereich von Stunden liegt, verbunden ist.
Bei der Diffusschallberechnung wird der Nachhall auf Basis von aus Messungen bekannten Größen und Zusammenhängen berechnet. Dieses geschieht unter Verwendung von gefiltertem, exponentiell abklingendem Rauschen.
Abhängig von der jeweiligen Software werden die oben genannten Verfahren einzeln oder auch in Kombination angewandt.
Schlussendlich kann dann eine beliebige Tonaufnahme mit den akustischen Eigenschaften eines Raums (Raumimpulsantwort) und der Außenohrübertragungsfunktion gefaltet werden. Die
Außenohrübertragungsfunktion dient dabei zur Simulation winkelabhängiger Übertragungsfunktionen des menschlichen Ohrs und ist essentiell zur natürlichen Wiedergabe des Materials.
Das so entstandene binaurale Signal kann dann über Kopfhörer dargeboten und beurteilt werden.